Wahrheiten und Mythen über ADHS und ADS

Wahrheiten und Mythen über ADHS und ADS

Es kursieren Mythen über AD(H)S, von denen viele bereits durch wissenschaftliche Forschung widerlegt wurden. Einige möchten wir hier beschreiben, um das Verständnis für die Störung zu verbessern und gegen die Stigmatisierung von betroffenen Menschen vorzugehen.

1. Mythos: „ADHS haben nur Kinder“

Obwohl ADHS für eine Diagnosestellung bereits in der Kindheit erkennbar gewesen sein muss, ist sowohl das Vorhandensein als auch die Stellung einer AD(H)S-Diagnose im Erwachsenenalter möglich. Denn häufig bleiben die Symptome der ADHS über die Lebensspanne bestehen, obwohl sich die Symptomausprägungen über die Lebensspanne verändern können. Der Leidensdruck kann auch bei Erwachsenen mit AD(H)S ein enormes Aufmaß annehmen.

2. Mythos: „ADHS ist eine Folge von schlechter Erziehung oder mangelnder Disziplin“

ADHS hat eine neurobiologische Grundlage und ist nicht alleinig das Ergebnis eines herausfordernden Elternhauses. Jedoch können Erziehungsdefizite und das Missverständnis der AD(H)S die Symptomatik bei dem betroffenen Kind beeinflussen und zur Aufrechterhaltung beitragen. Den häufigen Vorwurf von Betroffenen und Angehörigen bezüglich mangelnder Selbstdisziplin gilt es genauer zu betrachten, um aufzudecken, warum es zu Defiziten in der Selbstregulation und Selbststeuerung kommt.  Nachweislich ist das Frontalhirn für viele Aufgaben zuständig, bei denen Menschen mit AD(H)S Schwierigkeiten aufweisen. Unter anderem zählen die Impulskontrolle, Definierung von Handlungsplänen und Prioritäten, die Aufmerksamkeitssteuerung, alle Schritte der Aufgabenbearbeitung und die Gefühlsregulation dazu. Wie durch neurologische Untersuchungen festgestellt werden konnte, arbeitet das Gehirn von Betroffenen mit AD(H)S anders, weshalb es ihnen häufig tatsächlich nicht möglich ist, ihr Leben wie neurotypische Menschen zu leben. Vorwürfe führen lediglich zu Druck und Stress, wodurch das Frontalhirn noch eingeschränkter arbeitet. Psychoedukation kann den Betroffenen und ihrem Umfeld helfen, einen besseren Umgang mit der Diagnose und den täglichen Einflüssen umzugehen.

3. Mythos: „ADHS betrifft nur Jungen“

Mädchen können genauso von ADHS betroffen sein wie Jungen, auch wenn das Geschlechterverhältnis im Kindesalter zeigt, dass Jungen mindestens doppelt so häufig betroffen sind. Im Erwachsenenalter wird das Geschlechterverhältnis etwas ausbalancierter, jedoch sind Männer in einem Verhältnis von 1,6:1 weiterhin häufiger betroffen als Frauen. Da die Hyperaktivität bei Mädchen und Frauen häufig weniger stark ausgeprägt ist, wird eine AD(H)S bei ihnen häufig lange Zeit nicht erkannt. Dazu kommt, dass die Diagnosekriterien zur Feststellung einer ADHS primär an männlichen Studienteilnehmern erforscht wurden. Auch werden typische AD(H)S-Symptome bei Jungen deutlich eher als solche erkannt, während die Symptome bei Mädchen und Frauen unterschätzt werden. Die Sozialisierung ist ein wichtiger Faktor, der Mädchen dazu veranlassen kann, ihre Symptome zu unterdrücken, weshalb der Leidensdruck nicht geringer ausfallen muss.

4. Mythos: „Kinder werden nur wegen ihrer Lebhaftigkeit mit ADHS diagnostiziert.“

Die Diagnose von ADHS erfordert weit mehr als nur die Beobachtung hyperaktiven Verhaltens. Eine sorgfältige Bewertung von verschiedenen Symptomen, darunter Unaufmerksamkeit, Hyperaktivität und Impulsivität, sollte durch multiple Methoden umfassend untersucht werden. Zum Einsatz kommen in der Regel standardisierte Fragebögen, welche sowohl von Personen des engen Umfeldes als auch der betroffenen Person ausgefüllt werden. Besonders das strukturierte klinische Interview, welches anhand der ICD-10 und DSM-5 Kriterien erstellt wurde, spielt eine wichtige Rolle. Es sollte von Experten auf dem Gebiet durchgeführt werden und ermöglicht eine kriterienorientierte Diagnosestellung. Die Grundschulzeugnisse werden auf Hinweise für und gegen eine Diagnose geprüft.

5. Mythos: „Medikamente sind die einzige Behandlungsoption für ADHS.“

Medikamente können nachweislich sehr effektiv sein und werden oft als ein sehr wichtiger Teil der Behandlung angesehen. Darüber hinaus gibt es weitere Maßnahmen wie Verhaltenstherapie, Psychoedukation und andere unterstützende Maßnahmen wie Achtsamkeitstraining und Qigong, die zu einer Steigerung der Lebensqualität Betroffener beitragen können. Zu beachten ist, dass nicht alle Betroffenen unter ihrer AD(H)S leiden oder eine Medikation wünschen. Bei einem Leidensdruck jeglicher Intensität kann eine medikamentöse Behandlung und der damit ausgeglichenere Dopaminspiegel im Gehirn zu einer enormen Erleichterung führen, jedoch sollte eine passende Behandlung der AD(H)S individuell mit Experten ausgearbeitet werden.

Warum uns das Aufklären der Mythen so wichtig ist:

Die Aufklärung über Mythen im Zusammenhang mit ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) ist von entscheidender Bedeutung, um eine korrekte Wahrnehmung dieser Störung zu fördern und den Betroffenen angemessene Unterstützung zu bieten. Mythen und Fehlinformationen können zu Stigmatisierung, Vorurteilen und unzureichender Behandlung führen, was die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen kann. Durch eine bessere Aufklärung können Fachleute, Eltern, Lehrer und die breite Öffentlichkeit besser informiert sein und die richtigen Maßnahmen ergreifen, um den Bedürfnissen von Menschen mit ADHS gerecht zu werden. Außerdem kann sie dazu beitragen, Vorurteile abzubauen und ein unterstützendes Umfeld zu schaffen, das die Integration und Akzeptanz von Menschen mit ADHS fördert. Des Weiteren kann die Lebensqualität erheblich verbessert und die Akzeptanz von Menschen mit ADHS in der Gesellschaft gefördert werden.