Autismus/ASS bei Erwachsenen

Autismus, auch Autismus-Spektrum-Störung (ASS) genannt, ist eine komplexe neurologische, genetisch bedingte Veränderung der Wahrnehmungs- und Informationsverarbeitung des Gehirns, die sich in verschiedenen Bereichen des Verhaltens, der sozialen Interaktion und der Kommunikation manifestieren kann. Autismus ist charakterisiert durch untypische Arten des Denkens, der Bewegung, der Interaktion sowie der sensorischen und kognitiven Verarbeitung.

Die Symptome von Autismus können von Person zu Person stark variieren und reichen von milden Schwierigkeiten bis hin zu schwerwiegenden Einschränkungen. Für viele Menschen kann es eine Herausforderung sein, zu erkennen, ob sie selbst von Autismus betroffen sind. Mit diesem Text werden einige häufige Anzeichen und Merkmale von Autismus sowie Möglichkeiten zur Selbstreflexion und professionellen Bewertung erläutert.

Eine der häufigsten Merkmale von Autismus ist eine eingeschränkte soziale Interaktion und Kommunikation. Mit eingeschränkt ist hier gemeint, außerhalb der typischen Bandbreite dessen liegend, was angesichts des Alters und der Stufe der intellektuellen Entwicklung zu erwarten wäre. Menschen mit Autismus können Schwierigkeiten haben, Gesichtsausdrücke zu verstehen, Blickkontakt aufrechtzuerhalten oder nonverbale Signale wie Gesten oder Körperhaltung zu interpretieren. Das kann zu unpassenden Reaktionen oder beim Gegenüber fälschlicherweise zu einer Wahrnehmung von Desinteresse führen.

Autistische Menschen könnten sich auch schwertun, Freundschaften zu schließen oder emotionale Empathie zu zeigen, d.h. sie können Schwierigkeiten haben, sich in die Gefühle oder Perspektiven anderer hineinzuversetzen. Dadurch kann es passieren, dass sie unangemessen auf die Bedürfnisse oder Emotionen anderer reagieren oder kein Mitgefühl oder Verständnis zeigen, wo welches angebracht wäre.

Dies lässt sich auch ausweiten auf das Verstehen sozialer Normen und Regeln: Autistischen Personen kann es schwerfallen, soziale Normen, Regeln oder subtile soziale Hinweise zu verstehen. Sie könnten unangebrachtes Verhalten zeigen oder sich in sozialen Situationen unsicher fühlen, weil sie nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen.

Ein weiteres häufiges Merkmal von Autismus sind repetitive Verhaltensweisen und fixierte Interessen. Dies kann sich durch eine intensive Fokussierung auf bestimmte Themen, Objekte oder Aktivitäten manifestieren. Personen mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) können dazu neigen, ihre sozialen Interaktionen auf spezifische Themen oder Aktivitäten zu beschränken, die sie persönlich interessieren. Sie könnten Schwierigkeiten haben, sich an Gesprächen zu beteiligen, die nicht ihren Interessen entsprechen oder wenig Flexibilität zeigen, wenn es um die Wahl von Aktivitäten geht.

Viele Menschen mit Autismus können eine starke Präferenz für Routinen und Rituale haben, die ihnen Sicherheit, Struktur und Vorhersagbarkeit bieten. Diese Routinen können sich in verschiedenen Bereichen ihres Lebens manifestieren, einschließlich täglicher Unternehmungen, sozialer Interaktionen und Umweltpräferenzen. Beispiele dafür, wie Routinen bei Menschen mit ASS aussehen könnten, sind:

  • Autisten bevorzugen oft einen festen Ablauf für ihre täglichen Aktivitäten. Dies können das Aufstehen und Zubettgehen zu festen Zeiten, Mahlzeiten zu bestimmten Uhrzeiten, das Ausführen bestimmter Aufgaben in einer bestimmten Reihenfolge und das Einhalten bestimmter Abläufe am Morgen oder Abend umfassen.
  • Auch die Interessen und Hobbies, auf die sich Menschen mit Autismus stark fokussieren, können sich in festgelegten Zeiträumen oder an bestimmten Tagen abspielen und damit einen wichtigen Bestandteil ihrer täglichen Routinen darstellen.
  • Im Umgang mit Veränderungen wird oft eine stabile und vorhersehbare Umgebung bevorzugt, Veränderungen können sie stressen oder sie fühlen sich ängstlich, wenn ihre Routine unterbrochen wird oder unerwartete Ereignisse eintreten. Daher können sie bestrebt sein, Veränderungen zu vermeiden und ihre Umgebung so stabil wie möglich zu halten.
  • Autistische Personen können bestimmte Kommunikationsroutinen oder -gewohnheiten entwickeln, die ihnen helfen, sich in sozialen Interaktionen zurechtzufinden. Dies kann die Verwendung spezifischer Sprachmuster, Gesten oder Wortwahl umfassen, sowie das Einhalten bestimmter Regeln oder Konventionen beim Sprechen mit anderen.
  • Ebenso können die oben bereits erwähnten repetitiven Verhaltensweisen, auch „Stimming“ („Self-Stimulating Behavior“) genannt, als routinierte Methoden auftreten. Es dient dem Schutz vor Reizüberflutung, aber auch zur Selbstregulation, kann auf sich selbst beruhigend wirken und inneren Druck abbauen. Es äußert sich zum Beispiel durch wiederholtes Handflattern, Flackern oder Schaukeln, aber auch Lautäußerungen, wie beispielsweise Summen, Grunzen oder lautes Zählen.

Es ist wichtig anzumerken, dass Routinen und Rituale für Menschen mit ASS nicht nur eine Präferenz sind, sondern oft eine wichtige Rolle bei der Bewältigung des täglichen Lebens spielen. Sie bieten Stabilität, Sicherheit und Komfort in einer oft herausfordernden Welt.

Ein weiteres Indiz für Autismus können sensorische Empfindlichkeiten sein. Viele Menschen mit ASS haben eine erhöhte oder verminderte Empfindlichkeit gegenüber Sinnesreizen wie Licht, Geräuschen, Berührungen oder Gerüchen. Dies kann zu Über- oder Unterreaktionen auf sensorische Reize führen und das alltägliche Leben beeinträchtigen. Sie könnten sich beispielsweise überwältigt fühlen und sich zurückziehen oder sich möglicherweise unangemessen verhalten, um mit sensorischem Überreizen umzugehen.

Diese Beispiele zeigen, dass autistisches Verhalten vielfältig sein kann und sich in verschiedenen Kontexten und Situationen manifestieren kann.

Wenn man nun vermutet, dass man selbst von Autismus betroffen sein könnte, kann die Selbstreflexion auf mögliche Anzeichen von ASS ein erster Schritt sein. Das bedeutet, die eigenen Verhaltensweisen, Gedanken und Emotionen genauer zu betrachten und zu hinterfragen.

Hier sind einige Fragen und Hinweise, die dabei helfen können, die eigenen Erfahrungen zu überprüfen:

Haben Sie Schwierigkeiten, soziale Beziehungen, wie Freundschaften oder Partnerschaften aufrechtzuerhalten oder sich in sozialen Situationen wohlzufühlen? Fällt es Ihnen schwer, Blickkontakt aufrechtzuerhalten oder nonverbale Signale richtig zu interpretieren? Haben Sie Schwierigkeiten, sich in Gruppen einzufügen oder Freundschaften zu schließen?

Haben Sie Schwierigkeiten, Ihre Gedanken und Gefühle verbal auszudrücken? Fällt es Ihnen schwer, Gespräche mit anderen zu führen oder sich in Gesprächen angemessen auszudrücken? Sind Sie manchmal wortkarg oder haben Sie Schwierigkeiten, die Bedeutung von Sprache oder nonverbalen Hinweisen zu verstehen?

Haben Sie spezielle Interessen oder Hobbys, die Sie stark faszinieren und auf die Sie sich intensiv konzentrieren? Bevorzugen Sie feste Routinen und Abläufe in Ihrem täglichen Leben und können dabei nur schwer mit Abweichungen umgehen?

Zeigen Sie repetitive Verhaltensweisen, wie zum Beispiel das Klopfen auf Gegenstände oder Ohren, Fingerschnippen, Bedecken und Aufdecken von Ohren, Händezittern, Handbewegungen wie das Öffnen und Schließen von Fäusten, Springen oder Schaukeln?

Oder ist für Sie wiederholende Sprache, wie z.B. Songtexte, Buchsätze oder Filmzeilen ein Thema? Auch Stimmgeräusche wie Summen, Grunzen oder schrilles Kreischen können vorkommen.

Es ist wichtig anzumerken, dass das Vorhandensein einiger dieser Anzeichen nicht unbedingt bedeutet, dass Sie Autismus haben. Man darf sich darüber im Klaren sein, dass viele Menschen bestimmte Merkmale von Autismus haben können, ohne tatsächlich die Autismus-Spektrum-Störung zu haben. Dennoch können diese Fragen ein Ausgangspunkt sein, um Ihre eigenen Erfahrungen und mögliche Bedenken zu reflektieren.

Wenn man den Verdacht hat, dass man Autismus haben könnte, ist es ratsam, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Ein Facharzt für Psychiatrie, Psychologie oder Neurologie oder ein Psychotherapeut kann eine umfassende Diagnose stellen und geeignete Behandlungsmöglichkeiten empfehlen. Diagnostische Verfahren können eine gründliche Anamnese, Beobachtungen, standardisierte Tests und Evaluierungen von Verhaltensweisen und Fähigkeiten umfassen.

Insgesamt ist es wichtig zu verstehen, dass Autismus ein breites Spektrum von Merkmalen umfasst und sich von Person zu Person stark unterscheiden kann. Es ist auch wichtig anzumerken, dass Autismus keine Krankheit ist, die geheilt werden muss, sondern eine neurologische Besonderheit, die die individuellen Stärken und Herausforderungen einer Person formt. Eine frühe Diagnose und Intervention können aber dabei helfen, Unterstützung, Verständnis und angemessenen Ressourcen zu finden, um mit den Herausforderungen, die damit einhergehen, umzugehen und ein erfülltes und bereicherndes Leben zu führen.

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